Oberster Gerichtshof erklärt Übertragung von Geschäftsanteilen wegen Simulation für unwirksam
Der Tribunal Supremo, das höchste Zivilgericht Spaniens, hatte sich unlängst mit einem Sachverhalt auseinander zu setzen, der in dieser Spielart tausendfach in Spanien vorgekommen ist und noch vorkommt. Es ging um eine Problematik, die hohe praktische Relevanz für Veräußerer und Erwerber von Geschäftsanteilen an Immobilien-SLs hat. Da die Entscheidung vom 03.02.2010 trotz ihrer Tragweite bislang jedoch in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen worden ist, soll sie nachfolgend kurz besprochen werden.
Ausgangssachverhalt: Frau Belén ist Inhaberin von Geschäftsanteilen an einer SL. Zum Vermögen dieser SL gehörten vor allem eine Eigentumswohnung und eine Garage in Madrid. Sie beabsichtigt, diese Immobilie schenkweise an ihren Sohn, Aurelio, zu übertragen. Vermutlich aus steuerlichen Gründen entscheidet sie sich dazu, die Übertragung im Wege eines Verkaufs der besagten Geschäftsanteile vorzunehmen. Im Jahr 2002 schließen die Mutter als Inhaberin der Geschäftsanteile und ihr Sohn als Erwerber einen notariell beurkundeten Anteilskaufvertrag.
Es kommt später zum Streit zwischen Mutter und Sohn. Die Hintergründe gehen aus dem Urteil nicht ganz klar hervor; möglicherweise fühlten sich andere Kinder durch die Übertragung übergangen und bewegten ihre Mutter deshalb zur Rückgängigmachung dieser Übertragung. Der Sohn Aurelio war jedoch nicht bereit, die Geschäftsanteile an der Immobilien-SL an seine Mutter zurück zu übertragen, weshalb diese sich genötigt sah, gegen ihren Sohn zu klagen. In der ersten Instanz hatte die Mutter Recht bekommen, in der Berufungsinstanz hatte das Berufungsgericht, die „Audiencia Provincial“ die Klage abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof gab dem durch die Mutter eingelegten Rechtsmittel statt und hob das abweisende Urteil der Audiencia Provincial auf. Im Ergebnis wurde also der Mutter Recht gegeben.
Um aus dem Sachverhalt und der rechtlichen Beurteilung Schlüsse für die Vorgehensweise bei einer eigenen Geschäftsanteilsübertragung zu ziehen, lohnt es sich, einen Blick in die Urteilsgründe zu werfen:
1. Der Oberste Gerichtshof hebt hervor, dass er seit dem Jahre 2007 seine Rechtsprechung im Hinblick auf „simulierte“ Immobiliengeschäfte geändert habe. Hier geht es in der Regel um Fallkonstellationen, in denen die Parteien vorgeben, einen Kaufvertrag zu schließen, in Wirklichkeit aber die Schenkung einer Immobilie beabsichtigen. Dies kann vielfältige Hintergründe haben. Häufig ist beabsichtigt, Steuern zu sparen, weil die spanische Schenkungs- bzw. Erbschaftsteuer häufig vergleichsweise hoch ist. In anderen Fällen geht es darum, Pflichtteilsansprüche von gesetzlich Erbberechtigten zu übergehen oder aber Gläubiger des Immobilieneigentümers zu schädigen, indem ihnen durch Veräußerung der Immobilie Haftungsmasse entzogen wird. Während die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in der Vergangenheit häufig dahin tendierte, auch solche Immobilien-übertragungen für wirksam zu erachten, in denen ein Verkauf lediglich in der Urkunde vorgegeben wurde, in Wirklichkeit aber eine Schenkung gewollt war, hat das oberste spanische Zivilgericht diese Rechtsprechung im Jahre 2007 geändert und hieran seitdem in zahlreichen Entscheidungen festgehalten. Im Ergebnis sind also Immobilienübertragungen, bei denen nicht der wahre Rechtsgrund der Übertragung angegeben wird, dann unwirksam, wenn tatsächlich eine Immobilienschenkung beabsichtigt war. In diesem Fall verlangt das Gesetz nämlich gemäß Art. 633 Código Civil (Zivilgesetzbuch), dass die Immobilienübertragung in einer notariellen Schenkungsurkunde niedergelegt sein muss. Ein – tatsächlich nicht gewollter- beurkundeter Kaufvertrag erfüllt diese durch das Gesetz geforderte formelle Wirksamkeitsvoraussetzung aber nicht. – Ist diese Rechtsprechung auf den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer SL bzw. SA übertragbar?
2. Art. 26 des spanischen GmbH-Gesetzes verlangt, dass eine Geschäftsanteilsübertragung in öffentlicher Urkunde erfolgen muss. Der Oberste Gerichtshof räumt ein, dass im vorliegenden Fall zwar eine Beurkundung der Anteilsübertragung stattgefunden habe, und demgemäß diesen sich aus dem GmbH-Recht ergebenden Erfordernis, genügt worden ist - auch wenn tatsächlich die gewollte Schenkung gar nicht protokolliert wurde. Dann jedoch erklärt der Oberste Gerichtshof, warum der beurkundete Vertrag über die Geschäftsanteilsübertragung gleichwohl unwirksam ist. Aus Sicht der höchsten Richter ist das Erfordernis des Art. 632 des Código Civil nicht erfüllt. Danach muss die Schenkung einer beweglichen Sache in schriftlicher Form angenommen werden. An einer solchen schriftlichen Annahme gerade einer Schenkung fehlt es aber nach Auffassung der Richter, wenn die Parteien eine notarielle Kaufurkunde protokollieren. Folgerichtig hat der Oberste Gerichtshof der Klage der Mutter stattgegeben und das erstinstanzliche Urteil, das die Unwirksamkeit des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages festgestellt und die Rückübertragung der Geschäftsanteile in öffentlicher Urkunde angeordnet hatte, bestätigt.
3. Sicherlich ist das Urteil des Obersten Gerichtshofs nicht ganz kritiklos hinzunehmen. Dies insbesondere, weil Geschäftsanteile eben keine „bewegliche Sache“ im Sinne von 632 des Código Civil sind, den das Gericht zur Begründung anführt. Kritikwürdig ist auch, dass hiermit einer erheblichen Rechtsunsicherheit Tür und Tor geöffnet wird, weil „verdeckte Schenkungen“ - sei es durch Immobilienübertragung, sei es durch Übertragungen von Geschäftsanteilen an Immobilien-SLs – in Spanien im Rechtsleben immer noch häufig anzutreffen sind.
4. „Essenz“: Es ist insbesondere bei „Steuertricks“ Vorsicht geboten: Die Schenkung von Geschäftsanteilen, die als Verkauf beurkundet wird, kann später für unwirksam erklärt werden. Aber auch die aus sonstigen Erwägungen (z.B. um Gläubiger oder Pflichtteilsberechtigte zu übervorteilen) simulierten Kaufverträge über Geschäftsanteile sind von der neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof betroffen. Schenkern und Beschenkten von Immobilien- und Geschäftsanteilen wird dringend angeraten, sich vor Beurkundung eines Übertragungsvertrages beraten zu lassen, damit geschlossene Verträge nicht später unwirksam sind.
Frankfurt am Main, den 24. November 2010
Dr. Alexander Steinmetz
Rechtsanwalt