Gilt das mallorquiner Modell auch für residente EU-Ausländer?
Aktueller Fall:
Eine französische Staatsangehörige, Mutter zweier Kinder, mit dauernder Ansässigkeit (residencia) auf Mallorca, hat von dem steuergünstigen mallorquiner Modell der lebzeitigen Vermögensübertragung auf Abkömmlinge gegen deren Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht gehört. Sie ist zur Tat geschritten und hat vor einem malloquiner Notar einen entsprechenden Erbvertrag über Ihre mallorquiner Immobilie beurkunden lassen und dem Grundbuchamt zur Eintragung eingereicht. Die Grundbuchführerin lehnte die Umschreibung der Immobilie auf die begünstigten Kinder als neue Eigentümer unter Hinweis darauf ab, dass Ausländer keine spanische Gebietsangehörigkeit (vecindad civil) besitzen. Die Beschwerde hiergegen bei der Madrider Oberbehörde, der Generaldirektion für Register und Notariate („DGRN“), hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung wurde im Spanischen Staatsanzeiger vom 24. Juni 2019 veröffentlicht.
Wie ist die Rechtslage?
Nach der seit dem 17. August 2015 geltenden EU-Erbverordnung gilt der Grundsatz, dass für den Erblasser hinsichtlich seiner Vermögensnachfolge von Todeswegen das Recht des Staates gilt, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das bedeutet für Ausländer, die in Spanien ihren Lebensmittelpunkt haben, dass das für sie maßgebliche Erbrecht spanisches Recht ist. Nur wenn eine gültige Rechtswahl des Erblassers für das Recht seiner Staatsangehörigkeit erfolgt ist, gilt sein Heimatrecht als Erbstatut.
Die Situation wird dadurch schwieriger, dass Spanien in erbrechtlicher Beziehung ein Mehrrechtsstaat ist, dass also die erbrechtlichen Regeln des gemein spanischen Código Civil in vielen Autonomen Gemeinschaften nicht gelten. Hierzu gehört unter anderem Mallorca, das nach der Compilación Balear, der Rechtsverordnung über das balearische Recht, ein eigenes Erbrecht hat.
So kennt das mallorquinische Erbrecht – anders als das gemein-spanische Recht – die Rechtsfigur des Erbvertrags (pacto sucesorio). Eine Sonderregelung befasst sich im Rahmen des Erbvertrages mit dem Erb- und Pflichtteilsverzicht von Abkömmlingen im Gegenzug zur lebzeitigen Übertragung von Vermögensgegenständen auf die Abkömmlinge. Das balearische Erbrecht nennt diesen Vertrag „definición“. Diese Übertragungsform ist deshalb besonders attraktiv und wird gern gewählt, weil in diesem Falle eine Übertragung unter Lebenden steuerlich wie eine Vererbung behandelt wird, womit in der Regel erhebliche steuerliche Vorteile verbunden sind.
Artikel 50 der Compilación Balear sieht als Voraussetzung der Anwendbarkeit der vorgenannten Rechtsfigur vor, dass die vorweggenommene Erbfolge nur dann gilt, wenn die Beteiligten – jedenfalls der Schenker - Inhaber der mallorquinischen Gebietszugehörigkeit (vecindad civil) sind. Artikel 50 hat einen historischen Hintergrund. Die begünstigte Behandlung der Schenkung gegen Erb-/Pflichtteilsverzicht war nach der Rückeroberung Mallorcas von König Jaime I. im 13. Jahrhundert als eine Art Auslobung an seine auf Mallorca wohnhaften Untertanen gewährt worden, also eine rechtliche Vergünstigung, die bis heute anhält und in die heute gültige balearische Rechtsverordnung eingeflossen ist.
Der Haken für Ausländer ist nun folgender: Ausländern ist der Zugang zur vecindad civil verwehrt, selbst wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf Mallorca haben (und somit das dortige Erbrecht auch prinzipiell auf sie Anwendung findet) oder seit zwei Jahren die sogenannte residencia besitzen.
Weder die mallorquinische Grundbuchführerin, noch die Madrider Oberbehörde sahen in dieser Ungleichbehandlung von ausländischen Mallorquinern gegenüber spanischen Mallorquinern eine unzulässige Ausländerdiskriminierung, denn auch Spanier können von dem Rechtsprivileg des Art. 50 nur dann Gebrauch machen, wenn sie die Gebietszugehörigkeit Mallorcas besitzen. Einem Schenker aus Sevilla oder Madrid wäre der Gebrauch der sog. „Definición“ des mallorquinischen Rechts ebenfalls verwehrt. Die Beschränkung richtet sich also nicht gezielt gegen Ausländer.
Knackpunkt könnte dabei aber folgende Problematik sein: Ausländer können die mallorquinische Gebietszugehörigkeit auch dann, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt auf der Insel haben, nur erwerben, wenn sie zuvor die spanische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Mit dem Erwerb der spanischen Staatsangehörigkeit sind u.U. erhebliche Schwierigkeiten verbunden, ggf. ist dies je nach Sachverhalt gar nicht möglich. Nicht-mallorquinische Spanier dagegen dürfen die mallorquinische Gebietszugehörigkeit schon nach nur zweijähriger Ansässigkeit auf Mallorca durch öffentliche Erklärung erwerben. Handelt es sich vielleicht also doch um eine Diskriminierung?
Wie geht es weiter?
Die Entscheidung der DGRN liegt nun vor, das „Ende der Fahnenstange“ dürfte damit aber noch nicht erreicht sein. Unsere Vermutung geht dahin, dass dieser (oder auch ein ähnlich gelagerter) Fall die spanischen Gerichte und ggf. sogar bei entsprechender Vorlage der spanischen Gerichte auch den Europäischen Gerichtshof beschäftigen könnte, denn die Frage, ob die balearische Rechtsvorschrift mit europäischem Recht wegen ihrer diskriminierenden Wirkung gegenüber Ausländern unvereinbar sein könnte, ist eine komplexe Rechtsfrage. Spannende Angelegenheit!
Spannend bleibt weiterhin, ob selbst bereits im Grundbuch eingetragene ausländische Erwerber wegen Unwirksamkeit der „Definición“ ggf. gar nicht rechtswirksam Eigentümer geworden sein könnten. Man sollte hier nicht in Panik verfallen, sich der Problematik aber bewusst sein. Dies betrifft sicherlich auch zahlreiche Deutsche, die aufgrund einer „Definición“ in notarieller Form Vermögenswerte zur Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen erworben hatten. Die spanische Grundbuchordnung stellt jedenfalls klar, dass ein möglicherweise unwirksamer Erwerb nicht durch Grundbucheintragung geheilt würde.
Frankfurt/Palma, im Juli 2019
Von Dr. Alexander Steinmetz und Iris Fangauf